Zugverhalten





Weißstörche brechen zwischen August und September in ihre Winterquartiere auf und kehren Anfang März bis Ende April wieder in ihre Brutareale zurück:
Da Störche Thermikflieger sind und überwiegend Gleitflug betreiben (nur 15-30 % Energieverbrauch im Vergleich zum Ruderflug), müssen ihre Flügel relativ groß sein, um aufsteigende warme Winde besser nutzen zu können.
Dadurch können sie im Gegensatz zu kleineren Vögeln, die sich durch Ruderflug fortbewegen, segeln.






Die Wanderungszeiten sind zum Teil endogen programmiert und können artspezifisch sein. Obwohl die Jungstörche meist vor den Altstörchen in das Winterquartier aufbrechen, finden diese es trotzdem. Daraus lässt sich schließen, dass die Wanderroute genetisch verankert sein muss. Dieser Wanderinstinkt kann aber durch Nachzüchtungen zum Teil verloren gehen.
Als Auslöser des ersten Wegzugs bei Vögeln können durch verschieden Schlüsselreize, wie zum Beispiel Nahrungsmangel, sich verändernde klimatische Bedingungen oder Verkürzung der Sonneneinstrahlung pro Tag, dienen. Da aber Langstreckenzieher, wie der Weißstorch, schon verhältnismäßig früh aufbrechen, spielen endogene Faktoren wie die genetische Verankerung, die wesentliche Rolle.

Orientierungsmechanismen bei Zugvögeln:
· Sonnenkompass
· Magnetkompass
· Sternenkompass
· Vektornavigationshypothese




Bei der Wanderung meiden, die nur einmal im Jahr ziehenden, Weißstörche "ökologische Barrieren", wie hohe Gebirgszüge, Meere oder Wüsten, wahrscheinlich wegen Futtermangel, erhöhtem Energieaufwand und fehlender Thermik. Letzteres ist auch der Grund, weshalb Weißstörche nicht direkt über das Mittelmeer fliegen, sondern es an seiner schmalsten Stelle in großen Schwärmen überqueren, da über offenem Wasser die Thermik nicht gewährleistet ist.
Weißstörche ziehen in zwei Schmalfronten Richtung Süden. Es gibt die "Westzieher", diese überqueren das Mittelmeer bei Gibraltar in einem sogenannten Trichterzug (bedingt durch trichterartige Verengung der Zugroute), um dann in Westafrika, vom Senegal bis zum Tschadsee, ihre Winterquartier aufzusuchen und dabei wieder in einen Fächerzug zu divergieren. Die "Ostzieher" ziehen stattdessen in einem Trichterzug über den Bosporus, durch Israel, Sinai, das Nildelta, über den Sudan in Richtung Ostafrika, manche sogar bis Südafrika (wieder Fächerzug ab Ägypten). Im endgültigen Winterquartier bleiben sie dann etwa von November bis Februar und ab Ende Februar bis Anfang April sind sie wieder in ihren Brutgebieten vorzufinden.
Allgemein legen sie insgesamt etwa 6.000-10.000 km auf ihrem Zug zurück und davon zwischen 120-350 km am Tag, allerdings können die Pausen je nach Nahrungsangebot variieren. Weißstörche können auf ihrem Zug 20 Länder und mehr durchqueren.
Es gibt natürlich auch Ausnahmefälle, in den letzten Jahren zogen einige Weißstörche (auf der westlichen Route) nicht mehr nach Afrika, sondern nur noch bis Spanien oder Portugal, aufgrund des reichhaltigen Nahrungsangebots im Winter, dass dort auch auf offenen Mülldeponien beruht.
Da die Brutreife bei Weißstörchen erst nach einigen Jahren eintritt, verbleiben sie zunächst im Winterquartier und bewegen sich erst nach Erreichen der Brutreife in Richtung Brutregion zurück. Dabei wurde festgestellt, dass Erstbrüter nur bedingt geburtsorttreu sind und so eine Streubewegung ausführen, welche zu einer Ausbreitungsbewegung (Dispersion) führt. Allerdings streuen die Weibchen stärker als die Männchen. Die Dispersion wird vor allem durch Konkurrenz und Revierbildung verursacht (natürliche Dichteregulation).




Sogenannte Zugscheiden entstehen, wenn sich die Zugrichtungen benachbarter Populationen unterscheiden. Im Fall des Weißstorchs werden die Ost- und Westzieher weitgehend durch die mitteleuropäische Zugscheide getrennt. Die Nordsüd-Zugscheide zieht sich vom Alpennordrand über Lech, Regnitz, Kyffhäuser, Südwest-Harz, Osnabrück bis zum Ijsselmeer. Beidseitig der Zugscheide verläuft ein mehr oder weniger breites Zugscheiden-Mischgebiet, das von den Niederlanden bis Mecklenburg-Vorpommern reicht und aus dem Weißstörche in beide Richtungen aufbrechen können.
Zugscheiden haben sich vermehrt dort entwickelt, wo es gilt, in Breitfront oder Schmalfront natürliche Zugbarrieren zu umgehen oder populationsweise getrennt liegende Ruheziele aufzusuchen. Durch die Anordnung von Alpen, Mittelmeer und Sahara quer zur Nord-Süd-Achse von Europa und Afrika wundert es nicht, dass viele eurasische Arten Zugscheiden in Bezug auf die drei Barrieren ausgebildet haben.
Für den Weißstorch wäre es gar nicht möglich diese drei "ökologischen Barrieren" alljährlich erfolgreich zu überqueren. Die Umwanderung des Mittelmeeres im Osten (Bosporus) und im Westen (Gibraltar) ist die bestmöglichste Lösung für ihn, da er so die meisten Gefahren, wie zum Beispiel einen plötzlichen Kälteeinbruch, Erschöpfung oder Nahrungsmangel umgeht.




Etwa zwei Drittel der Jungstörche überleben das erste Jahr nicht und diese Rate gibt Anlass zur Ursachenforschung. Man erhofft sich dadurch Erkenntnisse, die dazu beitragen, den Weißstorch besser schützen zu können.

Die Gefahren des "Ziehens":
- Nahrungsmangel und Hungertod, begünstigt durch parasitische Würmer
- Hinausdriften auf das offene Meer: Da dort keine Thermik herrscht, kann es für den auf Gleitflug ausgerichteten Storch zum Tod durch Ertrinken kommen.
- Natürliche Fressfeinde
- Der Mensch: Durch Bejagung fallen ihm circa 3-5 % der Weißstörche zum Opfer.
- Verkehr (Auto, Bahn)
- Trinkwasserbehälter in südeuropäischen Ländern
- Ungesicherte Klärteiche: Sie bleiben im Klärschlamm stecken und verhungern.
- Stacheldraht oder Weidezäune: Diese werden beim Landean- oder Abflug übersehen.
- Mülldeponien: Diese stellen in großen Städten die einzige Nahrungsquelle dar. Es kann zum Tod durch Ersticken in einer Plastiktüte, durch einen spitzen Fremdkörper wie Metall (Magen- oder Darmverletzungen Ú innerliches Verbluten) oder durch eine Vergiftung kommen.
- Elektrische Freileitungen: Hierbei kommt es zum Tod durch Stromschlag. Diese Kollisionen machen fast 70 % aller Unfälle aus.


Dass derzeit besonders bei Langstreckenziehern Bestandsabnahmen zu beobachten sind, dürfte am ehesten auf die anthropogen veränderten Umweltbedingungen in Durchzugsgebieten, Ruhezielen und Brutgebieten, zurück zuführen sein. Beispielsweise würde es den Störchen in den Brutregionen die Aufzucht erleichtern, wenn auf die Trockenlegung von Feuchtwiesen verzichtet würde, da ein reicheres Nahrungsangebot vorhanden wäre. Auch hilft die Ausstattung einiger erfahrener Weißstörche mit Sendern durch die Satelliten-Telemetrie dabei, mehr über die genauen Zugrouten zu erfahren und dadurch können länderübergreifend notwendige Schutzmaßnahmen gefördert und gefordert werden.

Quelle und Fotos: Facharbeit von Michaela Meiershofer 2006/07


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